Wie dich deine Eltern dich von Bestnoten abhalten

Früher war es ja fast schon ein ungeschriebenes Gesetz. Egal, wie alt man ist, Eltern gegenüber bleibt man immer Kind, was auch bedeutet, dass man seinen Eltern gegenüber Respekt entgegenbringen soll und, wie kann es anders sein, dass Eltern immer Recht haben. Zumindest wurde ich so groß und ich weiß, dass der Gedanke auch heute noch bei meinen Eltern und Großeltern vorherrscht.

Hier kommt nun die gute Nachricht: Das müsst ihr nicht glauben. Ein höheres Alter und die Tatsache der Elternschaft implizieren nicht per se, dass man Recht hat. Das bedeutet, ihr dürft sehr wohl die Meinungen, Entscheidungen, Ratschläge usw. Eurer Eltern kritisch betrachten und hinterfragen. Ich brauchte (leider) 38 Jahre, um das zu erkennen.

Auch wenn Eltern grundsätzlich das Beste für ihre Kinder wollen, darf man nicht vergessen, dass sie, um zu beurteilen, was das Beste ist, ihre eigenen Maßstäbe und Erfahrungen anlegen. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht.

So verhält es sich auch in der Vorbildfunktion beim Lernen. Wie oft stehen Eltern ihren Grundschülern oder auch jugendlichen Schülern gegenüber und fordern gute Noten, Interesse für die verschiedensten Fächer, regelmäßiges Erledigen der Hausaufgaben ohne Erinnerung durch die Eltern und, wenn möglich, freiwillige Tätigkeiten für die Schule auch in den Ferien.

Verbal zeigen sie ihren Kindern meist sehr deutlich, was sie von ihnen warten. Unbewusst und nonverbal, d.h. über die Körpersprache, passieren oftmals ganz andere Sachen, die dazu führen, dass die Kinder eben nicht den Erwartungen der Eltern entsprechen. Stattdessen setzt eine andere Form vom Lernen und Sozialisation ein, bei der die Kinder die Glaubenssätze und Verhaltensweisen der Eltern übernehmen.

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Es gibt einige typische Verhaltensweisen, die Kinder davon abhalten, dass Lernen positiv zu assoziieren und die eigenen Fähigkeiten selbständig zu entdecken.

  1. hrend der Hausaufgaben fernsehen

Für mich persönlich ist das der Klassiker des Anti-Lernens. Die Eltern sitzen vor dem Fernseher, während die Kinder Hausaufgaben machen sollen. Nicht selten wollen die Eltern ihre Kinder im Blick haben oder Platzmangel in der Wohnung erfordert, dass das Kind in der Nähe des laufenden Fernsehers seine Hausaufgaben erledigt. Schaut das Kind dann doch mal auf den Fernseher oder wird davon abgelenkt, wird es auch noch angeranzt und gefordert, dass es gefälligst seine Hausaufgaben erledigen soll. Effektiver kann man aus meiner Sicht eine Abneigung gegen Schule und Hausaufgaben nicht aufbauen.

  1. Sich selbst nicht weiter entwickeln

Selbst wenn man, irgendwann einmal vor ganz, ganz viel Jahren, eine Ausbildung absolvierte und einen relativ sicheren Job hat, wobei heutzutage kaum noch ein Job wirklich sicher ist, bedeutet das nicht, das man sich nicht weiterbilden sollte. Ganz im Gegenteil, Unternehmens- und Arbeitsumgebungen sind immer häufiger geprägt von sich verändernden Bedingungen und der Erfordernis, sich diesen Veränderungen zu stellen und sich bestmöglich darauf vorzubereiten. Dazu zählen auch die berufliche Weiterentwicklung, Weiterbildung und Höherqualifizierung. Ergo, ich kann nicht erwarten, dass mein Kind gern lernt, wenn ich selbst auf dem Wissensstand von vor 20 Jahren stehenbleibe.

  1. Eigene Glaubenssätze übertragen

Ein weiterer Klassiker, den ich leider sehr oft erlebe. Eltern übertragen eigene (vermeintliche) Unfähigkeiten und Annahmen auf die eigenen Kinder, die diese wiederum und leider meist auch unbewusst verinnerlichen. Beispiele solcher Glaubenssätze sind: „Ich konnte auch noch nie Mathe! Kein Wunder, dass du nur eine 4 hast.“, oder „Ja, vor anderen eine Präsentation halten war noch nie deine Stärke. Das ist nicht so dein Ding. Bleib lieber bei dem, was du kannst.“

Bämm, damit reduziert sich ein Kind nicht nur auf die eigenen Defizite, sondern erfährt auch, dass es offenbar vererbbare oder nicht veränderbare Defizite gibt, was natürlich großer Quatsch ist.

  1. Ein falsches Bild vermitteln

Kennt jemand jemanden, der gesagt hat, Schule macht Spaß und ich lerne gern? Ich weiß, dass es bei mir so ist und ich sage das auch inzwischen. Früher hat mir das oft die Bezeichnung als Streberin eingebracht. Damals war das eher ein Schimpfwort, heute empfinde ich es als Kompliment. Gemeint ist somit, wie man Schule, Lernen, Hausaufgaben erledigen usw. thematisiert, als etwas, das Spaß macht oder etwas, dass einen hohen Kraftaufwand erfordert und zu 90 Prozent die Anstrengung nicht wert ist, getreu nach dem Motto: „Wozu soll ich das lernen? Das braucht doch keine Mensch!“

  1. Desinteresse zeigen

Für mich persönlich auch ein No Go, das viele Eltern trotzdem immer wieder machen, sich nicht für die schulischen Belange ihrer Sprösslinge zu interessieren. Ich kann mich auch noch gut an Situationen erinnern, bei denen ich meine Eltern darum bat, sich Arbeiten von mir anzusehen oder Texte durchzulesen. Die Antworten gingen dann fast immer in die Richtung: „Ach, warum sollen wir das lesen? Wir haben doch eh keine Ahnung von dem, was du schreibst.“ Sie hatten leider auch keine Ahnung davon, wie frustrierend es ist, wenn man von Menschen, von denen man sich Unterstützung erhofft, aus Gründen der Bequemlichkeit keine bekommt.

Wie geht es besser?

Unabhängig davon, ob es um die eigenen Kinder oder Freunde geht, geht es anders, und zwar indem:

  • man sich selbst regelmäßig weiterbildet und den eigenen Horizont erweitert,
  • als Vorbild fungiert und nur das von anderen, insbesondere von den eigenen Kindern erwartet, das man selbst lebt,
  • man Interesse an neuen Themen zeigt und Unterstützung Suchende nicht im Stich lässt, denn die kleinste Hilfe und auch der Wille sind besser als nichts.

Insofern, mein Appell an euch, lasst euch nicht durch Glaubenssätze, Kommentare, schlechte Noten oder Lernhürden von dem abhalten, was ihr wirklich lernen wollt. Ihr könnt das! Das einzige, das ihr dazu benötigt, ist der freie Wille, Fleiß und die richtigen Lerntechniken. Selbst ein versetzungsgefährdeter Schüler kann ein Einser-Kandidat werden. Und du kannst das auch!